Montag, 2. Juni 2014

Ins Stammbuch (IV)

"Man stellt auch zuweilen an Gymnasien und Instituten Fechtlehrer an und giebt denselben wöchentlich einige wenige Stunden zu ihren Uebungen frei. Da tritt nun der Lehrer hin, zeigt einige Motionen und lässt diese sogleich von Anderen, welche dieselben selbst noch nicht recht begriffen haben können, weiter lehren. Sie bekommen dafür das schmeichelhafte Prädikat „Vorfechter," welches ihnen so wohl gefällt, dass sie keine Mühe scheuen, ihre unrichtigen Motionen Anderen fleissig wieder mitzutheilen. Daher kommt es, dass die Gymnasien und Institute theilweise die wahren Pflanzschulen der Stümper und Naturalisten sind. Selten sind diese Lehrer wirklich gebildete Fechtmeister, sondern meist ehemalige Studenten. Man kann aber auf seine Faust ein ganz guter Fechter seyn und ist desshalb noch lange kein Lehrer. Hierzu gehört mehr. Ich erlaube mir, Etwas aus meinem Leben mitzutheilen. Nachdem ich einige Jahre bei meinem Vater das Fechten gelernt hatte, erbot ich mich zum Unterrichte der Anfänger. Ob ich nun gleich den ganzen Cursus durchgemacht und mich längere Zeit im Contrafechten geübt hatte, wollte es mir doch nicht gelingen, meinen Scholaren etwas Gründliches beizubringen. Entweder versah ich es, dass ich eine Lection zu lange übte, wodurch der Schüler ermüdet wird und zuletzt dieselbe immer schlechter ausführt, oder ich sah wohl recht streng darauf, dass seine Faust beim Stossen in der richtigen Motion sich befand, vernachlässigte aber indessen die richtige Position, das richtige Vorsetzen des Fusses beim Ausfall und das richtige Zurücknehmen desselben; kurz, ich war in der zwanzigsten Stunde noch nicht viel weiter als in der ersten vorgerückt, bis mich endlich der Vater genau unter Aufsicht nahm, alle Lectionen vorher mit mir durchmachte, sich dabei stellte, als wolle er erst etwas von mir lernen, und mir alle Fehler sagte, welche ich beging. Hier sah ich ein, dass es viel leichter ist, das Fechten zu lernen, als es wieder zu lehren. Es dauerte wohl noch an drei Jahre, ehe ich mir ehrlich gestehen konnte, so weit zu seyn, ordentlichen Unterricht ertheilen zu können. Aber auch nach dieser Zeit bemerkte ich, dass ein Fechter nie auslernen könne, indem es mir von Jahr zu Jahr leichter wurde, meine Herren Scholaren in immer kürzerer Zeit weiter zu bringen."

- Friedrich August Wilhelm Ludwig Roux in: Die Kreussler'sche Stossfechtschule (Jena, 1849)

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