Dienstag, 20. Januar 2015

"Menschen im Zweikampf. Kampfkunst und Kampfsport in Forschung und Lehre 2013". Eine Rezension.

von Thore Wilkens

Das Themenfeld der Kampfkünste erfreut sich in akademischen Kreisen seit mehreren Jahren eines wachsenden Interesses, das sich nicht nur auf die bewegungswissenschaftlichen Disziplinen beschränkt. Die Symposien der DVS (Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft) spiegeln die Pluralität der Annährungsmöglichkeiten an dieses Themenfeld wieder. Das 2013 in Erlangen abgehaltene Symposium beinhaltete neben den Hauptvorträgen Beiträge, die sich über pädagogische, didaktische, psychologische oder gesundheitsbezogene Zugänge dem Thema näherten. Hinzu kamen soziologische, genderbezogene und trainings- bzw. bewegungswissenschaftliche Vorträge. Obwohl dieses breite Kategorienfeld bereits umfassende Möglichkeiten für Beiträge liefert, wurde über die Kategorien „sonstige Zugänge“ und „Grundsatzdiskussionen die Möglichkeit der Themenwahl noch einmal wesentlich erweitert. 2014 ist nun der Tagungsband erschienen und liefert einen vielschichtigen Einblick in das Themenfeld Kampfkunst.

Das Buch beinhaltet 29 Artikel. Eine wie auch immer geartete Besprechung jedes Beitrags würde allerdings den Umfang dieser Rezension sprengen. Aus diesem Grund soll im Folgenden ein Überblick über die inhaltliche Konzeption der Beiträge geliefert werden. Anschließend erfolgt eine Erläuterung, warum sich der Kauf auch für Vertreter des Historischen Fechtens lohnen könnte. Abschließend wird eine Auflistung der Titel aller Beiträge geliefert.

Zur Konzeption der Artikel

Die Artikel sind in ihren Gegenständen und Fragestellungen sehr unterschiedlich konzipiert. Neben Beiträgen zu ausgewiesenen Spezialthemen, etwa zu den Heilaspekten der ersten Form im Wing Chun oder zur Wettkampfstruktur des Ju-Jutsu, beinhaltet der Band auch Artikel, die Kampfkunstübergreifend bzw. ungebunden sind. Vor allem der Bereich der Grundsatzdiskussionen besticht mit Beiträgen, die generell auf Interesse stoßen und für Diskussionen sorgen dürften. Sixt Wetzler betrachtet in seinem Artikel „Vergleichende Kampfkunstwissenschaft als historisch-kulturwissenschaftliche Disziplin“ die Möglichkeiten komparativer Kampfkunststudien, stellt aber gleichzeitig auch die Frage nach den nötigen Methoden und Quellen in den Raum. Martin Meyer liefert in seinem Artikel „Kampfsport als Katalysator und Instrument gesellschaftlicher Ideologien“ einen wertvollen Einblick in den Missbrauch von Kampfkünsten durch machtorientierte Meister und politische Systeme bzw. Ideologien. Diese Vielschichtigkeit bietet für nahezu jeden Rezipienten einen Zugang zur Thematik. Neben den Inhalten der Beiträge bieten die Literaturlisten einen wertvollen Ansatzpunkt für Recherchen oder die Einarbeitung in die jeweiligen Themenfelder.

Lohnt sich der Kauf für Historische Fechter?

Obwohl keine Beiträge zum Historischen Fechten enthalten sind, empfehle ich jedem angagierten Fechter, Trainingsleiter oder Vereinsvorsitzenden, einen Blick in diesen Tagungsband zu werfen. Die pädagogischen Beiträge können wertvolle Impulse für das eigene Training liefern. Die Beiträge zum Raufen und Ringen könnten für historische Ringer wertvolle Impulse und Ansatzpunkte zur Entwicklung eines Jungentrainings bieten. Artikel wie „Kampfsport als Katalysator und Instrument gesellschaftlicher Ideologien“ sensibilisieren den Leser für Problemfelder, gegen die auch das historische Fechten nicht gefeit ist. Die gefechts- und konflikttheoretischen Artikel wie beispielsweise „Praktiken der Gewalt? Randall Collins‘ Konzept der Confrontational Tension/Fear in der Analyse des Kampfsporttrainings“ bieten Trainern und Interpreten wertvolle Impulse und Literatur, um das Training und die Interpretationen näher an die Realität der Ernstkampfes zu führen. Der Tagungsband ist eine gute Basis für jeden, der sich kampfkünstlerisch weiterbilden oder einen Einblick in die aktuelle deutschsprachige Kampfkunstforschung erhalten möchte.

Fazit

Kampfkunst und –sport sind höchst heterogene Felder. Der Tagungsband spiegelt das eindrücklich wieder und vermittelt einen guten Überblick über die thematische Vielfalt des Themenfeldes. Der Band wird somit zu einem guten Startpunkt für Recherchen und liefert Impulse für neue Gedanken und Ideen. Auch wenn keine Artikel zum Historischen Fechten enthalten sind, lohnt sich der Kauf auch für angagierte Fechter, die auf der Suche nach neuen Impulsen sind.

Die Tagungsbeiträge

Hauptvorträge
  • Der Begriff Meister/-in in den Kampfkünsten (Matthias von Saldern)
  • Persönlichkeits- und Teamentwicklung – Förderung psychosozialer Ressourcen im Judo (Ralf Sygusch, Sebastian Liebl & Ralf Lippmann)
  • Zur Philosophie des Begriffs Ki – Statt „Newton“ lieber „Bohr“ als Erklärungsmodell für Ki? ( Petra Schmidt)
Grundsatzdiskussion
  • Vergleichende Kampfkunstwissenschaft als historisch-kulturwissenschaftliche Disziplin – Mögliche Gegenstände, nötige Quellen, anzuwendende Methoden (Sixt Wetzler)
  • Kampfsport als Katalysator und Instrument gesellschaftlicher Ideologien (Martin, Joh. Meyer)
Pädagogische und didaktische Zugänge
  • „Ringen und Raufen“ als Seminar zur Entwicklungsförderung im Studiengang Heilpädagogik – Befragung vom Studierenden zur Outcome und Relevanz der Veranstaltung (Mone Welsche)
  • Budo-Pädagogik: Exemplarische Darstellung anhand eines konkreten Projektes mit sozial-emotional auffälligen Kindern (Hans-Joachim Schröder)
  • Schwarzgurt-Kata mit Weißgurt-Anfängern – ein Problemaufriß (Uwe Mosebach)
  • KampfkunstArena – Ein Forschungsfeld (Anja Marquardt)
  • Videosequenzen in der Ausbildung von Judotrainerinnen und –trainern. Wie können sie helfen, die pädagogische Lehrqualität zu verbessern? (Alfred Richartz)
  • Wie erleben Kinder Unterrichtseinheiten zum Thema „Ringen und Raufen“? – Auswertung einer Fragebogenerhebung zu Bedingungen für positives Erleben (Dania Lippitz & Mone Welsche)
  • Budo Pädagogik in der Praxis am Beispiel des IN VIA-Projektes „Vater-Kind-Raufen“ (Hans-Joachim Schröder)
  • Ansätze zu einem besseren Verständnis beim SV-Training mit Menschen mit Behinderungen (Helmut Gensler)
Psychologische und gesundheitsbezogene Zugänge
  • Faszination Kampfsport – Erste Ergebnisse einer qualitativen Studie am Beispiel Karate (Peter Kuhn & Sabrina Macht)
  • Kompetenzentwicklung bei Gesundheitspädagogen am Beispiel von traditionellem Teakwon-Do (Björn Pospiech)
  • Situative Kampfkompetenzen und die Rolle des Lehrers (Björn Pospiech & Anna Brechtel)
  • Die heilenden Aspekte der chinesischen Kampfkunst Wing Chun – Eine anfängliche Erläuterung anhand der Siu Nim Tao, der ersten Form des Wing Chun (Ansgar Gerstner)
Soziologische und genderbezogene Zugänge
  • Die (inter-) kulturelle Dimension von Kampfkünsten und Kampfsportarten – der Umgang mit kulturfremden Körperkonzepten am Beispiel von Karate-Dô ( Christian Peter-Oehmichen)
  • Praktiken der Gewalt? Randall Collins‘ Konzept der Confrontational Tension/Fear in der Analyse des Kampfsporttrainings (Michael Staack)
  • Geschlechterkampf = Geschlechterkonstruktion? Feeling Gender in Zweikampfsituationen im Sportunterricht (Florian Hartnack)
  • Wie erleben Mädchen und Jungen „Ringen und Raufen“? Eine qualitative Erhebung mittels geschlechtsspezifischer Gruppendiskussionen (Mone Welsche)
Trainings- und bewegungswissenschaftliche Zugänge
  • Aktuelle Forschungsprojekte in den Zweikampfsportarten am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (Ronny Lüdemann, Hans-Dieter Heinisch, Roland Oswald, Jens Bussweiler & Dirk Büsch)
  • Interrater-Realibität der Punktrichterentscheidungen im Teakwondo-Formenlauf (Markus Klein, Monika Frenger & Thomas Sommer)
  • Kämpfen lehren im polizeilichen Kontext – Zum Kompetenzprofil des Einsatztrainers (Mario Staller)
  • Die Wettkampfstruktur im Ju-Jutsu Fighting unter zeitlichen Aspekten – Eine Analyse von Kämpfen auf Weltklasse-Niveau (Mario Staller & Axel Racky)
  • Gewalt gegen Polizeibeamte – Zum Bedarf eines Kompetenzmodells zur Abwehr von gewaltätigen Angriffen (Alexander Bochenek & Mario Staller)
  • Im Zweikampf mit sich selbst: Waffenlose Formen im südindischen kalarippayatt (Gero Goroncy)
Sonstige Zugänge
  • Auf der Suche nach Mr. Miyagi (Michael Andres)
  • Kontrolle, Suche und Kommerzialisierung von Risiko und Verletzungen in UFC-Events (Martin Joh. Meyer)

Übersicht

Titel: Menschen im Zweikampf. Kampfkunst und Kampfsport in Forschung und Lehre 2013. Jahrestagung der dvs-Kommission „Kampfkunst und Kampfsport" vom 7.-9. November 2013 in Erlangen
Reihe: Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, Band 236
Herausgeber: Sebastian Liebl & Peter Kuhn
Verlag: Feldhaus
Format: DIN A 5
Auflage: 1.
Publikationsjahr: 2014
Seitenzahl: 260
ISBN: 978-3-88020-613-7
Preis: € 25,00



1 Kommentar:

  1. Ich habe bereits viele Artikel in deinem Blog gelesen. Es ist erstaunlich, wie interessant es für mich ist, ihn immer wieder zu besuchen.
    mundschutz kampfsport

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